Manchmal stelle ich mir mich vor, als ich vor einigen Jahrzehnten meine erste GmbH gegründet habe. Sollte ich so ehrlich sein und sagen, ich hatte wohl kaum eine Ahnung, was mit der Geschäftsführenden Gesellschafter für eine Tätigkeit tatsächlich erwartete. Darüber hinaus hörte ich keinerlei Karrieretipps bzw., wenn es sie gab, ignorierte ich sie. Der einzige wirklich nennenswerte Tipp damals kam von meiner Rechtsanwältin. Sie meinte kurz und knapp: Schreib nicht so viel! Das hat mir in Rechtsstreitigkeiten wirklich sehr geholfen. Diesen Rat befolge ich noch heute.

Nun gab es kürzlich auf der mir sehr sympathischen Internetseite gründerszene.de  wieder einmal einen Artikel, den ich nicht umkommentiert lassen möchte. Obwohl ungefragt, so stelle ich meine Meinung zum Thema hier zur Diskussion. Der Titel läßt sich hier finden: Karrieretipps Verschiedene, sehr wohl erfolgreiche, Personen haben zum Karrierethema ihrer Meinung nach wirksame Tipps von sich gegeben. Vorab dies: Es sind allesamt Amerikaner (US-Amerikaner). Offensichtlich gibt es keine deutsche und erfolgreiche prominente Wirtschaft- oder sonstig tätige Menschen. Oder man vergaß diese zu befragen. Oder man tat es aus unerfindlichen Gründen nicht. Die Tipps sind dennoch z. T. sogar brauchbar. Allerdings benötigen sie dringend eines Kommentars (siehe oben, warum ich). Den kompletten Text findet man siehe Quellenangabe. Hier lediglich der Tipp-Text:

Richard Branson: Verschwendet keine Zeit mit vermeintlichen Rückschlägen.

Aus meiner Erfahrung mit Rückschlägen (also keine vermeintlichen sondern tatsächliche und z. T. sehr brutale, sehr realistische Rückschläge) rate ich: Analysiert diese. Ein Fehler ist erst ein Fehler, wenn man ihn zweimal macht. Branson meint mit den vermeintlichen Rückschlägen nämlich genau das. Es sind Erfahrungen, die man macht. Auch wenn sie weh tuen. Trotzdem, zur Erfahrung wird der Rückschlag erst durch eine gründliche Analyse. Ansonsten zieht man sich ins Kämmerlein zurück und jammert darüber, warum die Welt (wahlweise das Schicksal) so schlecht zu einem wäre…

Marc Cuban: Seid Zuhörer

Ja und nochmal ja. Andere haben durchaus was zu sagen, die reden nicht nur permanent. Sucht euch die Leute aus, denen ihr zuhören wollt. Sehrwohl. Aber dann: Zuhören. Aber wer macht das schon…

Steve Jobs (der darf ja auf keinen Fall fehlen): Bittet um Hilfe

Ja und nochmal ja. Es gibt eine ungezählte Menge von Geschäftsführern/Unternehmern die allwissend sind und Inhaber der absoluten Wahrheit sind (eigentlich sind sie Papst). Genauso groß ist die Zahl der Unternehmer, die Krisen nicht erkennen, ausgetretene Wegen nicht rechtzeitig genug verlassen und, unnötiger Weise, scheitern. In der heutigen komplexen und komplizierten Welt ist ein omnipotenter Alleskönner die absolute Ausnahme. Wenn sie das sind, Gratulation. Alle anderen holen sich Rat wo auch immer sie können. Sie sind, bei viel Glück, auf ihrem Gebiet ein Ass. Auf allen anderen Gebieten wahlweise eine Niete bzw. ein Halbwissender. Also, suchen sie und bitten sie um Hilfe.

 

Jerry Seinfeld: Konzentriert euch auf gute Arbeit, nicht auf Eigenwerbung.

Dies ist ein typisch US-amerikanischer Rat. Seien sie keine Angeber, arbeiten sie hart! 24/7 ist kein guter Rat, glauben sie mir. Ein begründet gutes und festes Selbstvertrauen hilft ihnen weiter, es ist nahezu unentbehrlich. Die Betonung liegt allerdings auf begründet. Gute Arbeit leisten sie im Team. Formen sie ihr Team. Loben sie ihr Team. Nochmal, loben sie ihr Team. Ohne diese Truppe schaffen sie es nicht. Und gute Hilfe (Berater, Wissende, Freunde etc. pp. siehe oben). Gute Arbeit ist Teamarbeit und sie sind der Chef…

Madeleine Albright: Lernt zu unterbrechen.

Ja. Schön. Unterbrecht mal eure Arbeit und macht Pause. Guter Tipp. Machen. Aber wer macht das schon…

Amy Wrzesnewski: Gebt eurer Arbeit einen tieferen Sinn.

Wohlgemerkt, wir sind bei Angestellten. Diese Tipps sind eher für werdende Unternehmer gedacht. Dachte ich. Aber gut. Nachdem ich las, daß ca. 70% der Angestellten innerlich gekündigt haben, nunja, ein prima Tipp. Offensichtlich hört keiner zu, sieht niemand, daß man seiner Arbeit einen tieferen Sinn gegeben hatte…

Taylor Swift: Kennt euch vor allem selbst.

Ja. Schön. Vor allem, wenn man in der Pop-Szene wirkt. Aber begründetes Selbstvertrauen (siehe oben)…

Katie Curie: Say yes!

Man kann das auch übersetzen und einfach ja sagen. Eine positive Grundeinstellung ist nahezu Grundvoraussetzung für erfolgreiches Handeln. Wie könnte ein notorische Pessimist andere entflammen, da er selbst nicht brennt?! Also ja sagen. Doch nicht zu allem und jedem. Wissen ist Macht! Denken sie an ihr Team. Die glauben an sie, hoffentlich…

Marc Andressen: Konzentriert euch auf euren Beitrag, nicht auf eure Leidenschaft.

Ein merkwürdiger Tipp, der sich nur erschließt, wenn man sich die Biografie von Herrn Andressen zu Gemüte führt. Für uns, Nichtmilliardäre, bleibt also: Ohne Leidenschaft kannst du dein Unterfangen, dein Unternehmen, deine Idee etc. pp. vergessen. Sicher. Allerdings hast du EINEN, nämlich DEINEN Beitrag zu leisten. Du führst Dein Team. Mit Leidenschaft, Vehemenz und mit Kraft möglichst kontinuierlich in die richtige Richtung. Mehr braucht du nicht zu tun. Sag mir, wenn Du es auf diesem Wege geschafft hast, wie…

Sheryl Sandberg: Laßt euch nicht von Angst stoppen.

Ja. Bullshit. Schon mal einen ängstlichen Unternehmer gesehen? Einen dummen, ja. Einen überheblichen, ja. Einen gescheiterten, ja. (Läßt sich beliebig fortsetzen; bis auf den ängstlichen, den gibt es nämlich nicht). Respekt haben vor Aufgaben, Hürden etc. ja. Aber Angst? Niemals. WTF…